Die Spitze der sozialen Stufenpyramide bildeten im Nordwesten des Upper Landes die Meierhöfe. Die Bezeichnung Meier hat hier noch einen etwas ursprünglicheren Sinn als im Südosten, wo mit dem dortigen Meierrecht (meierstättischen Recht) die alte Titelbedeutung Meier verloren gegangen ist. Meierhöfe waren nach ihrer alten Funktion Haupt- und Amtshöfe der adligen Grundherren. Die Inhaber dieser grundherrlich „eigenbehörigen” Oberhöfe nannte man Meier nach dem lateinischen Wort maior (größer, der Größere, d. h., etwa der „Vorgesetzte” im Sinne des Wortes). Diese Benennung hat sich wohl von der karolingisch-frühmittelalterlichen Güterverwaltung her vor allem über das klösterlich-grundherrliche Verwaltungssystem, das Villikationssystem, im hohen
Mittelalter durchgesetzt. Der eigenbehörige Meier hatte als Oberhofinhaber von einer Gruppe von Unterhöfen die Abgaben für den gemeinsamen Grundherrn einzubringen. Er war Vertrauensmann des Grundherrn und spielte in den bäuerlichen Hofes und Markengerichten eine gewichtige Rolle. Im kleinen Territorium Lippe scheinen viele Meierhöfe seit dem Aufkommen des Dienstadels, d. h., etwa seit dem 13. Jahrhundert und mit dem frühneuzeitlichen Verdrängen landfremder grundherrlicher Rechte durch den absolutistischen Landesherrn und seine Beamten früh ihre ursprüngliche Meierfunktion verloren zu haben. Es kam außerdem bei veränderten besitzrechtlichen Verhältnissen — wenn auch nicht so
stark wie im Südosten Westfalens – zu einer Verwässerung des Titels Meier. Als Meier benannte man in Lippe in nachmittelalterlichen Jahrhunderten mehr
oder minder alle Hofbesitzer, die nach der Besitzfläche ihres Hofes und nach den verfügbaren Pferdegespannen als Vollerben oder (in Lippe) als Vollspänner (siehe unten) eingestuft wurden9. Wer von diesen Meiern eine Amtsfunktion hatte, wurde als Amtsmeier hervorgehoben. Wenn im Nordwesten von Lippe ähnlich wie im Südosten zweitrangige Höfe nach den Salbüchern des 17. und 18. Jahrhunderts auch als Halbmeier statt als Halbspänner (siehe unten) benannt werden, so spricht das auch für die Entwertung des alten Funktionstitels Meier. Südlich von Lippe, im Paderborner Land, wo die altrechtlichen bäuerlichen Verhältnisse seit dem späten Mittelalter noch stärker schwanden, war die Bezeichnung Meier soweit entwertet, daß man z. B. im Delbrücker Land
von Vollmeiern, Halbmeiern, Viertelmeiern, Achtelmeiern usw. sprechen konnte, wenn man die einzelnen Besitzerklassen kennzeichnen wollte. Ganz anders lagen die Verhältnisse im stärker altrechtlich verharrenden Nordwesten Westfalens. Im Münsterland löste z. B. der funktionsbetonte Begriff Schulte seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Bezeichnung Meier ab. Das niederdeutsche Wort Schulte kommt vom altsächsischen „sculdhetio” (= jemand, der einem anderen die Schuld „heten” (heißen) muß).

Quelle: Der Lippische Meierhof (Josef Schepers) 1982